»Und die einen, die da schließen, und die anderen im Verschluss«
Lebensraum Knast – Die Lange Nacht des Strafvollzugs
Heide und Rainer Schwochow
Mauer, Stacheldraht, Wachtürme – das verschlossene Tor. Eine Beamtin drückt den Summer. Das Tor öffnet sich leise. Anmeldung durch die Glasscheibe, Ausweis
abgeben, Handy ins Schließfach, Taschenkontrolle, Gang durch den Metalldetektor, unendlich lange Gänge. Die erste Begegnung mit Strafgefangenen. Sie erzählen ihre Geschichten, Opfergeschichten zumeist. Wer in dieser Welt lebt, wird vom Täter zum Opfer, denken wir. »Versucht, den Knast zu verstehen!«, sagt eine. »Hier gelten eigene Gesetze!« Wir gehen immer wieder hinein, besuchen unterschiedliche Anstalten, führen Gespräche mit Inhaftierten und Bediensteten.
Es ist wie eine Reise in ein fremdes Land, ein Land hinter Gefängnismauern.
Heide Schwochow
arbeitete als Kellnerin und Sozialarbeiterin. Studium Schauspielregie, freie Theaterarbeit. War Regieassistentin, Regisseurin und Autorin beim DDR-Rundfunk, heute ist sie freie Autorin und Regisseurin.
Rainer Schwochow
studierte Physik und Informatik in Dresden, Exmatrikulation wegen versuchter Republikflucht. Anschließend drei Jahre Industriehilfsarbeiter, dann
Studium der Theaterwissenschaft, Theater- und Hörspieldramaturg, ist heute freier Regisseur, Sachbuch und Hörfunkautor.
Mittwoch, 5. Mai 2004
Hormonkrimi
Wie die Wechseljahre zur Krankheit wurden
Eva Schindele
Ewig weiblich. So wollte der Arzt Robert Wilson die Frauen
ab 45 mit seiner Daueröstrogengabe
halten. Das war 1966.
Doch bald stellte sich heraus: die Frauen wurden nicht sexy,
sondern krebskrank.
Wenige Jahre später wurden die Sexualhormone im neuen
Design und mit neuen Argumenten verkauft; jetzt sollten sie die
Frauen gesünder altern lassen. Fortan werden Frauen ab 40
schlecht geredet: Ihnen wurde eine Hormonmangelkrankheit
angedichtet. Pharmaindustrie, medizinische Meinungsbildner
und
Gynäkologen
sangen den Lobgesang auf die Hormone. Eine
Marketingstrategie,
die zum Erfolg führte.
Jede zweite Frau zwischen 50 und 60 schluckte, cremte, klebte
die Präparate jahrelang. Studien zeigen, dass sie sich damit mehr
geschadet als genutzt haben. Ein Krimi mit verschiedenen
Akteuren.
Dr. Eva Schindele
lebt in Bremen, schreibt Radio-Features und arbeitet als Wissenschaftsjournalistin für Hörfunk und Printmedien. Bekannt geworden ist sie durch ihre Sachbücher »Pfusch ander Frau – krankmachende Normen, überflüssigeOperationen, lukrative Geschäfte« und »Schwangerschaft –zwischen guter Hoffnung und medizinischem Risiko«. 1993und 2000 erhielt sie den Hörfunkpreis der deutschenWohlfahrtsverbände.
Sie ist Mitgründerin des Bremer Medienbüros.
Mittwoch, 2. Juni 2004
Willy Brandt – Der Kanzler, die Genossen und der Agent
Inge Braun und Helmut Huber
»Am 8.5.1974 wurde am Ortseingang Neustrelitz (F 96) aus
Richtung Neubrandenburg
ein von unbekannten Tätern
angebrachtes Plakat in der Größe 30 x 50 cm mit der Aufschrift
›Willy-Brandt-Straße‹ festgestellt. So lautet ein Vermerk in den
Akten der Staatssicherheit. Das Plakat war eines von vielen.
Solidaritätsbekundungen für Willy Brandt in der DDR. Im Westen
dagegen erntete Brandt für seine Politik der Entspannung
Widerstand, der im Misstrauensvotum gipfelte. Dass dann ausgerechnet
ein Spion aus Ostberlin den Anlass für den Rücktritt des
Kanzlers lieferte, mag man als Ironie der Geschichte verbuchen.
Die Ereignisse zwischen dem Tag, an dem Guillaume als Spion
enttarnt wurde, und dem Rücktritt Brandts gehören
nach wie vor
zu den großen politischen Dramen der deutschen Nachkriegsgeschichte.
Das Feature zeichnet die turbulenten Wochen
zwischen dem 24. April und dem 6. Mai 1974 nach.
Inge Braun und Helmut Huber
arbeiten seit vielen Jahren gemeinsam
an Features, Porträts und Dokumentationen
mit
zeitgeschichtlichem Hintergrund.
Beide leben als Rundfunkjournalisten in Berlin.
Mittwoch, 1. September 2004
Das Geheimnis
Eine polnisch-deutsche Familiengeschichte
Margot Overath
Das Geheimnis seiner Herkunft kann Richard erst
mit 58 Jahren entschlüsseln. In Polen entdeckt er die
Namen seiner Eltern auf einer Liste der Hauptkommission
zur Untersuchung der Verbrechen am polnischen Volk.
In Deutschland existiert ein Protokoll über die Hinrichtung
seines Vaters durch ein SS-Standgericht. Richard wurde
1943 im polnischen Klaipeda geboren. 1944 floh seine Mutter
mit ihm vor der Roten Armee nach Bayern. Eineinhalb Jahre
später brachte ein Zug die beiden nach Polen. »Wir fahren nach
Hause«, sagte die Mutter. Zurück zur Familie, mit der die
Mutter 1940 ins Generalgouvernement
deportiert worden war.
Über Richards Vater sprach sie niemals. Erst nach ihrem Tod machte
er sich – zusammen mit der Autorin – auf die Suche nach der
Geschichte seines deutschen Vaters.
Margot Overath
lebt in Ritterhude bei Bremen und arbeitet als freie Autorin für alle Hörfunk-Anstalten der ARD.
Erhielt für ihre Sendungen den »zivis-Preis« und den »IFJ-Prize« der internationalen Journalistenförderation.
Die Sendung »Das Geheimnis« wurde für den Deutsch-Polnischen-Journalistenpreis 2004 nominiert.
Mittwoch, 6. Oktober 2004
Fleißig, billig, illegal…
Putzfrauen auf dem Weg von Ost nach West
Charly Kowalczyk
Sie kleiden sich unauffällig, meiden belebte Orte und fahren
niemals schwarz. Sie sind misstrauisch und ängstlich.
Ein Recht auf Krankheit, Urlaub und unbeschwertes Leben
haben sie in der Fremde nicht. Ihre Heimat ist Zytomierz in der
Ukraine oder Zielona Gora in Polen. Mit einem Touristenvisum
ziehen sie von Ost nach West, um Wohnungen auf Hochglanz
zu bringen. Der Bedarf an Haushaltshilfen ist groß. Nach inoffiziellen
Schätzungen arbeiten allein in Deutschland
ungefähr
vier Millionen illegale Putz- und Pflegekräfte. Polinnen zieht es
nach Deutschland, Ukrainerinnen nach Polen. Charly Kowalczyk
hat viele Gespräche mit Frauen geführt, die sich und ihre
Familien mit illegalem Putzen ernähren.
Charly Kowalczyk
ist Autor von Sachbüchern und Hörfunk-
Features. Seine Stücke »Auf der Suche nach
meinem Großvater. Eine Deutsch-Polnische
Geschichte« (Radio Bremen/Deutschlandfunk)
sowie »Gdansk, Sopot, Gdynia – eine Dreistadt
zum Verlieben« (DeutschlandRadio) wurden
für den Deutsch-Polnischen Journalistenpreis
nominiert.
Lebt in Bremen und Potsdam, ist Mitglied des
Bremer Medienbüros.
Mittwoch, 3. November 2004
Am kalten Ende der Welt
Mit der »Polarstern« vor Spitzbergen
Dorothee Schmitz-Köster
Minus 30 Grad, schweres Eis, Whiteout: Wer im März in die Barentssee aufbricht, muß mit solchen Bedingungen rechnen. Die 50 Wissenschaftler an Bord der »Polarstern« sind allerdings nicht zum ersten Mal in der Arktis – sie wissen, dass sich auf dem Forschungseisbrecher des Alfred-Wegener-Institutsgut arbeiten lässt. Trotzdem wird die Expedition schwierig: DasSchiff kommt nur mühsam voran, so dicht ist das Eis. Offene Wasserstellen, in denen die Eisbildung untersucht werden soll, sind kaum zu finden …
Dorothee Schmitz-Köster ist im Frühjahr 2003 vier Wochen langauf der »Polarstern« mitgefahren. In ihrem Feature entwirftsie ein Bild von der arktischen Natur und der modernen High-Tech-Forschung und bringt ein akustisches Panorama aus krachendem Eis und rauschender Stille zum Klingen.
Dr. Dorothee Schmitz-Köster
lebt in Bremen und arbeitet als Hörfunk-Journalistin und Buchautorin.Features u. a.: »Liebe Mutter, hier ist es wunderschön. Als deutscher Soldat in Norwegen« (Radio Bremen); »Lebensborn –lebenslang. Die vergessenen Kinder« (Westdeutscher Rundfunk). Sie ist Mitglied des Bremer Medienbüros.
Mittwoch, 1. Dezember 2004
Der zionistische Traum
Das Ende einer Illusion
Ruth Fruchtman
»Die Juden, die wollen, werden ihren Staat haben. Und was wir dort nur für unser eigenes Gedeihen versuchen, wirkt
machtvoll und beglückend hinaus zum Wohle aller Menschen«, schrieb Theodor Herzl 1896 in seiner Broschüre »Der
Judenstaat«.
Der zionistische Traum von damals hat sich mittlerweile in
einen Alptraum verwandelt; ist zu einer zionistischen Tragödie geworden. Der Konflikt mit den Palästinensern und die täglichen
Verbrechen stellen die Grundsätze der zionistischen Idee in Frage. »Kolonialistisch, rassistisch, faschistisch« lauten die Vorwürfe
gegen die »nationale Befreiungsbewegung des jüdischen Volkes« heute. Ruth Fruchtman, selbst in einer zionistischen
Familie aufgewachsen, schildert die verschiedenen zionistischen Richtungen und setzt die Ansprüche von damals mit der Wirklichkeit von heute in Beziehung.
Ruth Fruchtman
wurde in London geboren, studierte Germanistik.
Lebt seit 1976 in Deutschland,
seit 1987 in Berlin.
Förderungen des Berliner Kultursenators,
arbeitet an einem Roman. Schreibt Hörfunk-Features,
vorwiegend über jüdisch-polnische und israelischpalästinensische
Themen.