bremer hörkino

Radio-Geschichten live erleben

Hörkino-Archiv 2013

Karla Krause
Karla Krause

Mittwoch, 6. Februar 2013

Von einem, der auszog, den Tod nicht zu fürchten

Geschichten vom Leben und Sterben

Karla Krause

Seit mein Liebster gestorben ist, ist der Alte St. Matthäusfriedhof in Berlin Schöneberg mein zweiter Wohnsitz geworden, so etwas wie mein persönliches “Second life” mit aufwühlenden, erstaunlichen Begegnungen und lebendigem Austausch zwischen Lebenden und Toten.

Allgegenwärtig Bernd Bossmann, Polit-Tunte, Krankenpfleger, Schauspieler und Chef des Friedhofcafés, der vom Tod als “Silvester des Lebens”, als dessen absolutem Höhepunkt überzeugt ist. Dazu Gabriele, die um ihren Sohn seit mehr als 10 Jahren im Internet trauert, täglich. Kathrin, die ganz bewusst ein schwerst behindertes Kind austrug, das nun im “Garten der Sternenkinder” liegt. Oder Feodora, die MS-Kranke, die sich auf nichts so sehr freut, als darauf, endlich tot zu sein.

“Wer die Menschen das Sterben lehrt, der lehrt sie das Leben”, sagte Michel de Montaigne, der erste Denker der Neuzeit, der ohne Jenseits auskam. Denn sich mit dem Tod zu beschäftigen, sein Leben vom Ende her zu denken, das ist der Kern vieler Weisheitslehren für ein erfülltes Leben. Denn ums Leben geht es. Gerade auf dem Friedhof.

Das Feature erhielt den Robert-Geisendörfer-Preis 2012.

Karla Krause
hat ihr berufliches Leben “irgendwas mit Medien” gemacht: als Radio-, Fernseh- und Buchautorin, als TV-Redakteurin und Filmproduzentin. Sie erzählt dokumentarische Radio-Geschichten, viele wurden ausgezeichnet.


Dr. Gaby Mayr
Dr. Gaby Mayr

Mittwoch, 6. März 2013

Die Spur der Keime

Gaby Mayr

2011 starben im Klinikum Bremen-Mitte drei Frühgeborene an einer bakteriellen Infektion. In ihrem Feature untersucht Gaby Mayr Ursachen und Hintergründe der Todesfälle. Allgemeine Erklärungsmuster wie »Sparmaßnahmen« im Gesundheitswesen und die »Überlastung des Klinikpersonals «, so das Ergebnis der Recherchen, greifen zu kurz..

Die Autorin erhielt Informationen aus der Klinik und sie sprach mit Eltern, deren Säuglinge auf Station 4027 lagen. Demnach war bereits vor den bekannten Todesfällen ein anderer Keim auf der betroffenen Station, auf der benachbarten Mütterstation starb eine Frau. Das Gesundheitsamt stellte erhebliche Hygienemängel fest. Ein Augenzeuge beobachtete eklatante Hygienefehler.

Dabei hatte sich die Klinik kurz zuvor erst im Konkurrenzkampf um die Versorgung sehr kleiner Frühgeborener gegen andere Krankenhäuser durchgesetzt. Nun sollte der hoch gelobte Chefarzt ein Hygienedesaster eingestehen …

Dr. Gaby Mayr,
geboren 1954, hat Wirtschaftswissenschaften studiert. Sie arbeitet als freie Journalistin für Radio und Printmedien. Schwerpunkte sind »Machtfragen« und »Afrika«. Sie hat mehrere Journalistenpreise erhalten.


Mechthild Müser
Mechthild Müser
Jens Schellhass
Jens Schellhass

Mittwoch, 3. April 2013

Lange Hörkino-Nacht

Wir feiern den achten Hörkino-Geburtstag und die Verleihung des Feature-Preises bremer hörkino

Zum vierten Mal wird der »Feature-Preis bremer hörkino« verliehen.

Zum vierten Mal wird der »Feature-Preis bremer hörkino« verliehen. Damit möchten Beate Hoffmann und Charly Kowalczyk Autorinnen und Autoren aus Bremen und Niedersachsen auszeichnen und ermutigen: auch in Zeiten, in denen der Wortanteil und aufwändig recherchierte Geschichten weniger werden, interessante Hör-Stücke zu produzieren.

Der Preis und die Skulptur »Rüdi hört« vom Berliner Künstler Zoppe Voskuhl geht dieses Jahr an Mechthild Müser für ihr Stück »Welcome to the City of Jezevac – Mädchen in einem bosnischen Flüchtlingslager« und an Jens Schellhass für »Ein bisschen mehr als Gotteslohn – Arbeitsbedingungen im kirchlichen Sozialsektor.« Eine lobende Anerkennung erhalten die Fachjournalistik-Studenten der Bremer Hochschule Nasir Mahmood und Panajotis Gavrilis für das Stück »Gekommen, um zu leben – ein Feature über Asylsuchende in Deutschland«.

Der Feature-Preises bremer hörkino wird gestiftet von swb und den Initiatoren des hörkinos unterstützt von: »Hörsturz« – Interessengemeinschaft für Bremer Radiokultur.

Wir danken der Jury: Torsten Jantschek Redakteur bei Radio Bremen »Wissenschaft, Religion und Gesellschaft« Brigitte Kirilow Feature-Redakteurin, Deutschlandradio Kultur Annette Ruppelt Pressesprecherin Bremer Shakespeare Company

Wir feiern mit Sekt, Selters und präsentieren die Preisträger-Features.

Welcome to the City of Jezevac –

Mädchen in einem bosnischen Flüchtlingslager

Mechthild Müser, Deutschlandfunk / Bayrischer Rundfunk, 2012

Nein, niemand kommt sie je dort besuchen, die Mädchen von Jezevac, keine Schulfreundinnen, keine jungen Männer. Dabei würden sie sich freuen und im Übermut hatte eine gerufen: »Welcome to the City of Jezevac.« Welcome in dieser Ansammlung kleiner Häuser, schnell hingeworfen auf die ebene Fläche zwischen dem braunen Oskova-Fluss und der Straße, die zur Kohlen-Abraumhalde führt.

Die einzigen Besucher gehören zu einer Hilfsorganisation. Sie kümmern sich um die Übriggebliebenen, um die Traumatisierten, denen das Massaker von Srebrenica auf der Seele liegt. Sie kümmern sich um die Mädchen, die so frisch sind in ihrer Pubertät, die sich um die besten T-Shirts aus Kleidersammlungen prügeln und einmal ganz anders leben möchten als ihre Mütter. Berufe lernen, in der Stadt wohnen, aber welche Chance haben sie schon?

Das ruft seit Kurzem noch andere Besucher auf den Plan: Männer mit prall gefüllten Taschen, die die Mädchen umgarnen, ihnen ein besseres Leben verheißen – Menschenhändler. Die Mädchen freuen sich über jede Zuwendung, auch die Mütter ahnen nichts Böses. So nette Männer …

Ein bisschen mehr als Gotteslohn –

Arbeitsbedingungen im kirchlichen Sozialsektor

Jens Schellhass, Nordwestradio, 2012

Die Arbeit im Pflegedienst bedeutet oft viel Verantwortung bei wenig Anerkennung. Wer für einen kirchlichen Wohlfahrtsverband arbeitet, darf nicht für mehr Lohn oder bessere Arbeitsbedingungen streiken.

Wer diesen »Dritten Weg geht, ist auf der Suche nach einer Alternative, um die Grenzen zwischen Vorschlag und Gegenvorschlag aufzuweichen. Aber im Arbeitsrecht der Kirche und ihren diakonischen Wohlfahrtsverbänden verhärten sich die Fronten immer weiter. Daran muss sich dringend etwas ändern, findet die Gewerkschaft. Ein Feature von Jens Schellhass über die Arbeitsbedingungen in den kirchlichen Pflegediensten.


Charly Kowalczyk
Charly Kowalczyk

Mittwoch, 1. Mai 2013

»Halts Maul, du lügst«

Verdingkinder in der Schweiz

Charly Kowalczyk

Hunderttausende Waisen- und Scheidungskinder, uneheliche und sogenannte milieugeschädigte Kinder wurden in der Schweiz verdingt. Sie wurden ihren Eltern häufig gegen deren Willen von der Vormundschafts- oder Armenbehörde weggenommen, und zumeist bei Bauernfamilien in Pflege gegeben, die dafür Kostgeld bekamen. Bis Ende der 70er Jahre wurden viele von ihnen auf Bauernhöfen wie Sklaven behandelt, einige wurden misshandelt und missbraucht. Eine staatliche Kontrolle gab es kaum, Verdingkinder waren rechtlos.

Die meisten schweigen bis heute aus Scham. Auch die Bauernfamilien, die von den Kindern profitierten, schweigen. Und die Schweizer Behörden blockieren das Bedürfnis der Betroffenen, endlich mehr über ihre Vergangenheit zu erfahren. Zahlreiche Akten wurden vernichtet oder sind unauffindbar. Zudem verweigern die Behörden häufig den ehemaligen Verdingkindern die Auskunft über ihre leiblichen Eltern. Charly Kowalczyk hat Betroffene, Jugendamtsleiter und Politikerinnen getroffen.

Charly Kowalczyk
lebt in Potsdam. Er schreibt seit 1998 Features, Reportagen und Sachbücher. Sein Interesse gilt vor allem sozialen und umweltpolitischen Themen. Er erhielt mehrere Feature-Preise.


Martina Keller
Martina Keller

Mittwoch, 5. Juni 2013

Die Untoten

Organspender und das Dilemma der Transplantationsmedizin

Martina Keller

In vielen europäischen Ländern werden nicht nur Hirntote, sondern auch Menschen mit Herzstillstand zu Organspendern – obwohl zweifelhaft ist, ob sie tatsächlich schon tot sind.

In Spanien werden Herzanfallopfer nach längerer erfolgloser Wiederbelebung unter Beatmung und Herzdruckmassage in die Klinik gebracht, um ihre Organe zu retten. In Belgien werden Patienten, die von Ärzten auf Verlangen getötet wurden, unmittelbar nach dem Herzstillstand zu Spendern.

Auch in Deutschland fordern erste Stimmen, den Kreis der Organspender um Menschen mit Herzstillstand zu erweitern. Ausgerechnet in einer Zeit, da die Basis der Transplantationsmedizin insgesamt ins Wanken gerät. Denn: Vielen Wissenschaftlern gilt inzwischen die Gleichsetzung des Hirntods mit dem Tod des Menschen als widerlegt.

Martina Keller
arbeitet als Wissenschaftsjournalistin für Print, Radio und TV. Sie schreibt über die Schnittstelle Medizin und Gesellschaft, ist Gutachterin bei medien-doktor.de (Qualität im Medizinjournalismus), erhielt mehrere Journalistenpreise.


Gabriele Stötzer
Gabriele Stötzer

Mittwoch, 4. September 2013

Frauenzuchthaus Hoheneck

Demütigung, Willkür, Verrat

Gabriele Stötzer

Die Schriftstellerin wurde 1977 im Alter von 23 Jahren wegen Staatsverleumdung zu einem Jahr Gefängnis verurteilt, von dem sie sieben Monate in Hoheneck verbrachte. Einen Freikauf in die Bundesrepublik lehnte sie ab. Mit dem Feature, das am 28. September 2011 als Ursendung bei MDR FIGARO lief, hat Gabriele Stötzer ihrer Erinnerung einen Raum gegeben. Dabei kostete sie die Beschäftigung mit dieser schmerzhaften Phase ihres Lebens jedes Mal Kraft und Überwindung.

Und auch die meisten der Frauen, die Gabriele Stötzer für das Feature »Frauenzuchthaus Hoheneck« ihr Schicksal offenbarten, haben erst 50 Jahre danach ihr Schweigen gebrochen. Die Schilderung der Haftbedingungen ist beklemmend.

Das Feature erhielt den »Deutschen Sozialpreis« und den »Juliane-Bartel-Preis«.

Gabriele Stötzer,
geboren 1953, gehörte zum DDR-Untergrund der Prenzlauer- Berg-Szene, war 1989 Mitorganisation der Stasi-Stürmung in Erfurt. Gabriele Stötzer arbeitet beim Mitteldeutschen Rundfunk und für Zeitungen.


Dr. Eva Schindele
Dr. Eva Schindele

Mittwoch, 2. Oktober 2013

Schlecht behandelt

Über ärztliche Fehler, Schuld und ein Geschäftsmodell

Eva Schindele

David ist seit einer Operation an der Nasenscheidewand halbseitig gelähmt und sprachbehindert. Dieser Vorfall liegt 13 Jahre zurück und seitdem kämpft der 31-Jährige außergerichtlich und gerichtlich um Entschädigung.

Das Problem: Er muss dem Chirurgen nachweisen, dass seine schwere Behinderung durch einen Behandlungsfehler verursacht wurde. Gutachter und Gegengutachter streiten erbittert und ziehen das Verfahren in die Länge. Das ist der Regelfall. Die Arzthaftungsverfahren begünstigen einseitig Ärzte, Krankenhäuser und ihre Haftpflichtversicherungen.

Eva Schindele hat mehrere von der Medizin geschädigte Menschen begleitet und zeigt, wie sie durch das Rechtssystem ein zweites Mal verletzt werden und niemand dafür die Verantwortung übernehmen will.

Dr. Eva Schindele ,
geboren 1951, lebt und arbeitet in Bremen. Sie ist Wissenschaftsjournalistin – Schwerpunkte Medizin, Ethik, Politik; Gutachterin bei medien-doktor.de (Qualität im Medizinjournalismus). Erhielt verschiedene Preise.


Marie von Kuck
Marie von Kuck

Mittwoch, 6. November 2013

Der Mut der Mücke

Lebensstrategien Alleinerziehender

Marie von Kuck

Alleinerziehend zu sein, ist in Deutschland Armutsrisiko Nummer eins. Trotz der sich verschärfenden sozialen Lage wächst keine andere Bevölkerungsgruppe so rasant wie diese und die Zahl ihrer von Armut betroffenen Kinder nimmt stetig zu. Wie alleinerziehende Mütter ihren Lebensunterhalt bestreiten, den Alltag bewältigen und ob sie glücklich sind, erzählt das Feature von Marie von Kuck.

Die Autorin steht vor der schwierigsten Entscheidung ihres Lebens: Sie ist 32, steckt mitten im Berufsleben und nun ist sie schwanger. Der Kindsvater will damit nichts zu tun haben. Soll ihr Kind leben oder nicht? Wie geht es alleinerziehenden Müttern heute in Deutschland? Ist ihr Leben erstrebenswert? Wäre es für sie zu bewältigen? Auf der Suche nach Antwort trifft Marie von Kuck alleinerziehende Frauen, begleitet sie durch ihren Alltag, lauscht den Kindern und lernt die Geschichte vom Stechmückenweibchen kennen, das sich allein auf die lebensgefährliche Suche nach Blut begibt, ohne das seine Eier nicht reifen können. Am Ende steht ihr Entschluss fest.

Marie von Kuck,
geboren 1971, arbeitet seit 2001 als freie Autorin. Sie schreibt Reportagen, Hörspiele und Radio-Features. 2010 erschien ihr Hörbuch »Unsere versäumten Tage. Liebesbriefe von NVA-Soldaten«.


Rainer Schildberger
Rainer Schildberger

Mittwoch, 4. Dezember 2013

Über diese Brücken musst Du gehen –

Wenn die Zähne sich verabschieden

Rainer Schildberger

Unlängst ist mir ein Schneidezahn abgebrochen. Sportunfall. Eine Nacht und einen halben Tag habe ich nicht gelächelt, nicht gesprochen. Nicht gegessen. Nur mit Strohhalm getrunken. Mein Anblick im Spiegel: grässlich. Nicht mehr ich. Bis mich der Zahnarzt erlöste und mir mein gewohntes Erscheinungsbild zurückgab.

Jeder hat solche oder ähnliche Erlebnisse mit Zähnen und Zahnärzten gemacht. Darüber gesprochen wird entweder gar nicht oder mit einem gewissen Heldenmut. Denn was sich im Mund abspielt ist peinlich, wird gerne verschwiegen oder im Gegenteil, ganz offen gezeigt. Makellose Zähne suggerieren und versprechen Erfolg, Gesundheit, Sex. Selbst wenn sie falsch sind. Schlechte Zähne sind heute mehr denn je ein Stigma. Für Nachlässigkeit, Erfolglosigkeit, Armut.

Das Feature erzählt Geschichten von Angst und Identitätsverlust, vom Kult um die Zähne und dem ganz alltäglichen Gang zum Zahnarzt. Geschichten über Verlust und Schein, Schmerz und Scham.

Rainer Schildberger,
geboren 1958, studierte Geschichte, Sport. Er arbeitet als Feature- und Hörspielautor, Lektor und Schreiblehrer; organisiert eine Lesebühne für unbekannte Autoren in Berlin und veröffentlicht Romane und Erzählungen.