»Lifestyle« ist der Name von einem Paar Sportschuhen, die sich die
12-jährige Philine gerade gekauft hat. Auf der Schuhlasche steht »Adidas«
und »Made in Vietnam«. Philine fragt sich, wie es in Vietnam wohl
aussehen mag.
Für die Konzernzentrale von Adidas im fränkischen Herzogenaurach ist
Vietnam kein Land, sondern ein Produktionsstandort. Die »Adidas
Corporate World« kennt keine Staatsgrenzen, nur die Grenze zwischen
Herstellungsgebieten und Verkaufsgebieten.
Die 21-jährige Mai wurde in einem Herstellungsgebiet geboren. Sie fädelt
weiße Schnürsenkel in Sportschuhe ein und wohnt in einer industriellen
Wüste nahe einer der gigantischen Adidas-Fabriken in der Umgebung von
Saigon. Nachts träumt sie von den Reisfeldern ihrer Kindheit.
Joel kommt aus den USA. und ist der Chef von Adidas in Vietnam. Sein
Büro liegt ganz oben im »Diamond Plaza«, und seine Arbeit besteht
darin, sich dem Diktat des Marktes zu beugen. Über die »Corporate World«
weiß er mehr, als er verrät …
Jens Jarisch
lebt in Berlin und Hongkong, arbeitet als
Autor, Regisseur und Produzent von Feature,
Hörspielen und Soundstories. Gewinner zahlreicher
renommierter Journalistenpreise, unter
anderem »Åke-Blomström-Award« der International
Feature Conference. Für das Radiostück
»Lifestyle« erhielt er den »Prix Europa« für das
beste europäische Radiofeature 2006.
Mittwoch, 7. März 2007
Rohstoff für das Mutterglück
Vom globalen Handel mit Eizellen
Eva Schindele und Imke Zimmermann
»Du bist etwas Besonderes. Nur Du kannst uns geben, was wir brauchen«,
wirbt ein spanisches Zentrum für künstliche Befruchtung. Geld soll
junge Frauen animieren, einen raren Rohstoff an Kinderwunschpaare zu
spenden: ihre Eizellen. Kein Wort darüber, dass die Eizell-Produktion
mit Hormonen unangenehm und die »Ernte« gesundheitlich riskant ist.
Der Handel in Spanien boomt. Der Markt reicht über Westeuropa
nach Deutschland, wo weibliche Keimzellen auf legalem Wege nicht zu
bekommen sind.
Der Bedarf an Eizellen steigt stetig. Kliniken in Osteuropa locken Kundinnen
sogar mit Schnäppchenpreisen, weil der Rohstoff in armen
Ländern billiger produziert werden kann. Aus den Keimzellen der Frauen
entstehen Kinder, die irgendwann vielleicht nach ihren Wurzeln fragen.
Doch die Spenderinnen bleiben in der Regel anonym. Das Wissen über die
Herkunft des Rohstoffs könnte das Geschäft stören und auch das
Elternglück.
Dr. Eva Schindele
lebt in Bremen, schreibt Radiofeature, arbeitet als Wissenschaftsjournalistin
für Hörfunk und Printmedien. Bekannt
geworden sind ihre Sachbücher »Pfusch an der Frau«
und »Schwangerschaft – zwischen guter Hoffnung und medizinischem Risiko.«
Sie erhielt zwei Mal den »Hörfunkpreis
der deutschen Wohlfahrtsverbände« sowie den »Juliane-Bartel-Medienpreis«.
Mitgründerin des Bremer Medienbüros.
Imke Zimmermann
studierte Germanistik und Geschichte. Nach einigen Jahren
bei Buchverlag und Fachzeitschrift wechselte die Lübeckerin
zur Tageszeitung und damit in den aktuellen Print-Journalismus.
Heute lebt sie als Freiberuflerin in Bremen. Zu ihren
Kunden zählen die Nachrichtenagentur AP sowie regionale
und überregionale Zeitungen.
Mittwoch, 4. April 2007
Kind L364
Szenen einer Lebensborn-Biografie
Dorothee Schmitz-Köster
Unehelich, unerwünscht, unpassend, so kommt Heilwig 1938 auf die
Welt – in einem Heim der SS-Organisation Lebensborn. Ihre Mutter, eine
erfolgreiche Grafikerin, heiratet vier Jahre später den SS-Oberführer
und Himmler-Vertrauten Oswald Pohl. Der adoptiert das Mädchen, das nun
in höchsten NS-Kreisen aufwächst. Bei Kriegsende flieht die Familie vor
der Roten Armee. Pohl wird in Nürnberg zum Tode verurteilt und 1951
hingerichtet. Erst danach erfährt Heilwig, die Pohl bisher für ihren Vater
gehalten hat, Stück für Stück die Wahrheit über ihre Herkunft. Als sie mit
29 heiratet, endet die Zeit der Diskriminierung und Ausgrenzung. Doch
das Stigma bleibt. Heilwigs Biografie wird zum Gegenstand heftiger
Familienkonflikte.
Dr. Dorothee Schmitz-Köster
lebt in Bremen und arbeitet als Hörfunk-Journalistin und Buchautorin.
Über das Leben von »Kind L364« wird im Juli 2007
bei Rowohlt Berlin das Buch »Kind L364. Eine Lebensborn-Familiengeschichte
« erscheinen. Schmitz-Köster hat unter anderem veröffentlicht:
»Liebe Mutter, hier ist es wunderschön. Als deutscher
Soldat in Norwegen« und »Deutsche Mutter, bist du bereit. Alltag im
Lebensborn«. Sie ist Mitglied des Bremer Medienbüros.
Mittwoch, 2. Mai 2007
Gefangen in Kabul
Ein CIA-Opfer erzählt
Christian Brüser
Sein Fall ist zum Politikum geworden und belastet die deutsch-amerikanischen
Beziehungen. Auch die deutschen Geheimdienste müssen sich im
parlamentarischen Untersuchungsausschuss Fragen stellen lassen, deren
Beantwortung ihnen schwer zu fallen scheint.
Begonnen hat alles ganz unpolitisch. Khaled el-Masri streitet mit seiner
Frau und will ein paar Tage allein sein. Am 31. Dezember 2003 beginnt für
ihn die Fahrt in einen Alptraum. An der jugoslawisch-mazedonischen
Grenze holen ihn Sicherheitsbeamte aus dem Bus, drei Wochen lang
hält man ihn in Skopje fest, dann wird er CIA-Agenten übergeben, die ihn
betäuben und nach Kabul fliegen. Mehr als vier Monate sperrt man
ihn in ein Kellerverlies und verhört ihn zu seinen angeblichen Terroristenkontakten.
Aus Protest hungert er sich fast zu Tode. Als die amerikanischen
Entführer erkennen, dass sie einen Fehler gemacht haben, päppeln
sie el-Masri auf und fliegen ihn zurück. Als er Ende Mai 2004 in seine
Wohnung in Deutschland zurückkehrt, ist seine Frau mit den vier Söhnen
verschwunden. Fünf Monate hatten sie kein Lebenszeichen erhalten
und waren in den Libanon zurückgekehrt.
Christian Brüser
ist in Baden-Württemberg geboren. Er studierte Sprachen
Südasiens sowie Wirtschaft und internationales Recht. Brüser bereist
rund 50 Länder und bringt Reportagen und Feature mit. Er erhielt
für das Feature »Ich hab’ vergessen wie man lacht – der Tod des
indischen Asylbewerbers Harvinder Singh« 2001 den renommierten
österreichischen Andreas-Reischeck-Preis. Brüser lebt mit Frau
und zwei Töchtern in Wien.
Mittwoch, 6. Juni 2007
»Seh ich so aus, als hätt’ ich Gnade?«
Innenansichten eines Domina-Studios
Irmgard Maenner und Susann Sitzler
»Ein klassischer Fuß- und Schuherotiker hat Angst vor der Frau. Er
reduziert sie auf den Fuß, und der hat dann gefälligst auch noch so und
so auszusehen«, sagt Lady Ellen. Im Domina-Studio sind alle Körper Platzhalter:
Auspeitschen, Abschnüren, Auslöschen sind bezahlte Versuche,
Körpergrenzen zu überwinden. Aber die Wünsche der Männer richten sich
nicht nur an den Körper der Frau. Der Kunde bezahlt die Domina für
ihre Fähigkeit, genau die Mutter, Lehrerin, Schänderin zu sein, die er
sich vorstellt. Auch er selbst will sich im Studio verwandeln. Wie kann
das gelingen? Sechs Monate lang besuchten Irmgard Maenner und
Susann Sitzler Frauen im Domina-Studio und nahmen Einblick in deren
Arbeitswelt.
Susann Sitzler
ist in Basel geboren und lebt als freie
Autorin und Journalistin in Berlin. Sie
produziert Feature für Deutschland -
Radio Kultur und schreibt Reportagen
unter anderem für »Die Zeit«. Sitzler ist
Autorin von zwei Sachbüchern.
Irmgard Maenner
ist in Bayern geboren und lebt in Berlin als freie Autorin von
Hörspielen und Feature.
Zusammen schrieben die beiden Autorinnen »Ein blaues Auge
kannst du ja überschminken – Die Profiboxerin« und »Was
wird wach in uns durch den anderen? – Die lange Nacht von
Liebe und Schmerz.«
Mittwoch, 5. September 2007
»Charlie and his Orchestra«
Ein fast unbekanntes Kapitel nationalsozialistischer Radiogeschichte
Mechthild Müser
Sie haben es lange geschafft, im Dunkeln zu bleiben, die Musiker jener
geheimnisvollen Big Band, die sich »Charlie and his Orchestra« nannte. Als
einzige deutsche Band spielte sie im offiziellen Auftrag jene Musik, die
in Nazi-Deutschland nicht gespielt werden durfte: Swing. Im Verborgenen
nahmen bekannte Musiker wie Lutz Templin, Willy Berking und Freddy
Brocksieper mit dem Sänger Karl Schwedler beliebte amerikanische Hits
auf. Und sie mischten NS-Propaganda-Texte in englischer Sprache dazu.
Mit dieser heiklen Mischung wollten sie die Bevölkerung über Rundfunk
im »Feindesland« infiltrieren. Texter waren Mitarbeiter des Auswärtigen
Amtes, des Reichspropaganda-Ministeriums und der englischen Sendungen
deutscher Kurzwellensender.
Zufällig wurden nach Kriegsende Plattenaufnahmen entdeckt. Aus Scham
oder Angst hatten sie ihre Arbeit für Goebbels verschwiegen. Erst spät
gaben einige der Musiker zu: Die Lust am Swing, das Geld und die Freistellung
vom Wehrdienst haben schwerer gewogen als ihr schlechtes Gewissen.
Mechthild Müser
ist Soziologin mit Schwerpunkt Entwicklungspolitik, immer wieder
gepackt von Fernweh, Mutter von zwei Töchtern, seit 20 Jahren
Feature-Autorin in der ARD. Sie arbeitet als Hörfunk-Journalistin
und Autorin in Bremen; veröffentlichte zuletzt das Buch:
»FrauenWirtschaft – Juchitán, Mexikos Stadt der Frauen«.
Mittwoch, 3. Oktober 2007
»miles and more«
Rücktrittsdramaturgien in der Politik
Helgard Haug, Heike Haug und Daniel Wetzel
»Nach zehn Jahren Bundestag sind Sie für das normale Leben nicht mehr
resozialisierbar«, sagte Wolfgang Bötsch (CDU) vor seinem Ausscheiden
aus dem Bundestagskabinett. Umso abrupter endet aber doch für manchen
Politiker der Höhenrausch, wenn es plötzlich einzustehen gilt für persönliche
oder politische Fehler. Rücktritte sind in den seltensten Fällen Ergebnis
inhaltlicher Überzeugungen, viel häufiger sind sie der erzwungene Akt,
mit dem das politische System auf aufgeheizte Skandale antwortet.
Wie wird der oft klägliche Abgang von der großen politischen Bühne
inszeniert? Welchen Mustern und Ritualen folgen politische Rücktritte?
Und welchen Beitrag leisten Medien, Öffentlichkeit, Opposition und
Parteifreunde?
Über die Verführungen der Macht, Schleudersitze, Pattex-Politiker, Ressortpannen,
Schuld und Sühne sprachen die Macher mit: Jürgen Leinemann
(Journalist), Tarek Al-Wazir (Landtagsabgeordneter); Bernd Stegemann,
(Dramaturg); Bettina Röhl (Journalistin); Jörn Fischer (Rücktrittsforscher);
Dirk Kaesler (Soziologe) und Marcus Knill (Kommunikationsberater),
Sven Otto (Kommunalpolitiker) und Helga Lehner (Nachrichtensprecherin).
Helgard Haug
entwickelt gemeinsam mit Daniel Wetzel seit 1996 eine
Vielzahl Theater- und Hörspiel-Projekte, die sich mit der Frage
nach dem Inszenierungsgehalt von Realität beschäftigen.
Heike Franziska Haug
studierte Politik- und Rechtswissenschaften in Marburg,
Sydney und Hamburg. Sie arbeitete als parlamentarische Referentin
im Hessischen Landtag und im Bundestag.
Mittwoch, 7. November 2007
»Richterin, übernehmen Sie!«
Justiz im Umbruch?
Gabi Mayr
Birgit S. wird zu lebenslanger Haft verurteilt, weil sie ihren Mann erschoss,
der sie verlassen wollte. Armin V. erstickte seine Frau mit einem Kopf -
kissen, als sie ihre Koffer packte, und wurde für fünf Jahre ins Gefängnis
geschickt. Deutsches Recht bietet den Gerichten beträchtliche Spielräume
für ihre Urteile. Es ist deshalb wichtig, wer auf der Richterbank sitzt.
Dort hat sich die Zusammensetzung in den letzten Jahren verändert. Die
Justiz wird immer weiblicher. Haben die Richterinnen und Staatsanwältinnen
die Rechtsprechung verändert? Haben Frauen in Talaren eine andere
Sichtweise als ihre männlichen Kollegen, wenn es um Löhne, Unterhaltszahlung
oder Vergewaltigung geht? Und wie reagieren männliche Juristen
auf die weibliche Konkurrenz? Das Feature wirft einen Blick hinter die
Kulissen der Justiz und enthüllt Gepflogenheiten bei der Rechtsprechung,
die in keinem Gesetz stehen.
Dr. Gaby Mayr
ist in Köln geboren und studierte dort Wirtschaftswissenschaften.
Sie arbeitet als freie Journalistin für Hörfunk, Print und
Fernsehen. Themenschwerpunkte sind Afrika, Gender und Gewalt.
Erhielt den »Deutsch-Französischen Journalistenpreis« sowie
den »Juliane-Bartel-Preis« 2006. Lebt mit Partner und Sohn in
Bremen.
Mittwoch, 5. Dezember 2007
»Etwas schaffen, was ich selbst bin«
Das kurze Leben der Paula Modersohn-Becker 1876–1907
Michael Augustin und Walter Weber
Nur 31 Jahre hat das Leben der Malerin gedauert. Große Erfolge waren ihr
bis zum Tod nicht vergönnt. Die gebürtige Dresdnerin wuchs in Bremen
auf, erhielt in London Zeichenunterricht und setzte ihre Ausbildung in
Berlin fort. 1898 ging sie als Schülerin von Fritz Mackensen in die Künstlerkolonie
Worpswede und befreundete sich mit der Bildhauerin Clara
Westhoff. Worpswede und Paris wurden prägend für das Werk der jungen
Malerin. Sie heiratete Otto Modersohn, den elf Jahre älteren Künstlerkollegen,
der als erster Paulas Begabung förderte.
Das Feature zeichnet die Lebensstationen der Paula Modersohn-Becker –
zu hören sind alte Tondokumente mit den Stimmen von Paulas Tochter
Mathilde, von Clara Westhoff, Martha Vogeler, Fritz Mackensen und anderen.
Zu Wort kommen auch heutige Liebhaber ihrer Werke wie Cees Nooteboom,
Lars Gustafsson, Hille Darjes und Maria Bohlmann-Modersohn.
Michael Augustin
ist in Lübeck geboren, studierte in Dublin und Kiel. Er
arbeitet seit 1979 als Redakteur bei Radio Bremen.
Augustin ist Herausgeber und Autor von belletristischen
Büchern, erhielt den »Frie d rich-Hebbel-Preis« und den
»Kurt-Magnus-Preis der ARD«. War 2004 Gastprofessor
am Dickinson College, USA.
Walter Weber
ist in Fulda geboren, studierte in Granada und Bremen.
Er war von 1980 bis 1989 wissenschaftlicher Mitarbeiter
an der Universität Bremen. Seit 1989 ist Weber
freier Redakteur bei Radio Bremen und Autor zahlreicher
Rund funkfeature. In diesem Jahr erschien im Audio-
Verlag sein mit Detlef Michelers verfasstes Hörbuch
»DER SPIEGEL – 60 Jahre in 60 Minuten«.