Die alte Mutter lebt allein in ihrer Wohnung. Dann passiert es:
Eines Nachts fällt sie aus dem Bett, erleidet einen Schlaganfall, liegt
stundenlang auf dem Fußboden. Man bringt sie ins Krankenhaus.
Von einem Moment zum anderen hat sich ihre Persönlichkeit verändert.
Zurück in ihre Wohnung kann sie nicht mehr. Jeden Tag
erleben alte Menschen solche oder ähnliche Situationen. Meist
müssen die Kinder unter Zeitdruck eine Entscheidung treffen: Wie
und wo können die Eltern ihre letzten Jahre in Würde leben?
Die Autoren begeben sich auf die Suche.
Heide Schwochow
geboren 1953 in Stralsund, Pädagogik- und
Philosophiestudium in Leipzig. Dann Kellnerin
und Krippenerzieherin. Studium Schau spiel regie,
Regisseurin beim DDR-Rundfunk, seit 1993
freie Autorin, Regisseurin, Drehbuchautorin.
Zusammen mit Rainer Schwochow Deutscher
Sozialpreis 2003, Europäischer Journalistenpreis 2005.
Rainer Schwochow
geboren 1952 in Berlin, Physik- und Informatikstudium
in Dresden, Exmatrikulation wegen Re pu blikfluchtversuchs,
anschließend drei Jahre Industriehilfsarbeiter.
Studium der Theater wissen schaft in Leipzig,
Theater- und Hörspieldramaturg. Ab 1989 freier Journalist,
Hörfunk- und Sach buchautor.
Mittwoch, 5. März 2008
American Dreams
Auswanderergeschichten
Rainer Kahrs
Ganz aus dem Häuschen sind die norddeutschen Bauern im Festzelt,
sie begrüßen den Amerikaner, als sei er einer von ihnen. Dabei ist
er Milliardär, gut Freund mit dem amerikanischen Präsidenten und
Botschafter der USA in Deutschland. Großartig, ruft der Botschafter
ins Mikrophon. 170 Jahre nach der Auswanderung seines verarmten
Urgroßvaters ist er wieder zurück in der alten Heimat, nicht als
Bauer, sondern als Gesandter einer Weltmacht. Das ist der amerikanische
Traum. Ach Amerika, sagt Vivian, sie träumt von Amerika,
weil es das Land ihres Vaters ist, eines GI, der kurz nach ihrer Geburt
mal eben Zigaretten holen ging und nie wieder zurück kam. Jetzt
ist Vivian 55 und bald tingelt sie durch amerikanische Talkshows,
sie will ihre Brüder finden. Mindestens drei sind es, hat sie herausgefunden,
und alle drei heißen Michael.
Amerika. Eine an der Bürokratie verzweifelnde Bauernfamilie sitzt
auf gepackten Koffern, ein moderner Auswanderungsagent erzählt
vom Geschäft und eine 95-jährige Heimkehrerin, verarmt und einsam,
plaudert über ihre nächtlichen Träume – die drehen sich immer
nur um Amerika.
Rainer Kahrs
aufgewachsen im Umland von Bremen. Evangelischer Diakon,
danach Leben auf dem Land, Jobs mal hier und mal da. Ab 1993
Hörfunkfeatures, ab 1997 zusätzlich Fernsehreporter. Mal ein Lob,
ein Preis, mal nominiert, mal ein Verriss. Wunschberuf: Journalist.
Lebt in Bremen, Zweitwohnsitzziel: Taiwan. Oder China.
Mittwoch, 2. April 2008
Die Tagesschau
Oder die Welt in 15 Minuten
Walter van Rossum
Wenn sich das Land um 20 Uhr vor den Fernseher setzt, dann zelebriert
die Mediengesellschaft ihre Kommunion. Niemand schaut
die Tagesschau, um die Welt zu begreifen. Man kann sagen: Die
Sendung verwandelt die Realität in eine Art endlose »Lindenstraße«.
Die Tagesschau versteht sich jedoch nicht als Fiktion, sondern
als informative Dienstleistung. Diesen Mythos nimmt Walter van
Rossum nach allen Regeln der Kunst auseinander. Er kontrastiert
eine Reportage aus der Tagesschau-Redaktion in Hamburg mit der
minutiösen Analyse einer 20-Uhr-Ausgabe der Tagesschau: Welche
Ereignisse werden wie und in welcher Reihenfolge dargestellt?
Und wieso, um Himmels Willen, bleibt die Welt trotz aller guten
Absichten der Macher auch nach 15 Minuten unbegreiflich? Was
hat das zu tun mit den Hierarchien, den täglichen Konferenzen
der Chefredakteure? Und über was wird in der Tagesschau nicht
berichtet?
Walter van Rossum
geboren 1954, lebt in Köln und Marokko. Studium der Romanistik,
Philosophie und Geschichte in Köln und Paris. Promotion 1989.
Seit 1981 freier Autor für den WDR, Deutschlandfunk, Die Zeit, FAZ
und Freitag. Für den WDR moderierte er unter anderem die
»Funkhausgespräche«. 1988 erhielt er den Ernst-Robert-Curtius-
Preis für Essayistik. Buchveröffentlichungen u.a.: »Simone de
Beauvoir und Jean-Paul Sartre – Die Kunst der Nähe«, »Meine
Sonntage mit Sabine Christiansen«.
Mittwoch, 7. Mai 2008
Leichenschmaus im Café »Exit«
Gespräche über den Tod
Helmut Kopetzky
Dieser Leichenschmaus, wie das Zusammensitzen nach einer
Beerdigung in manchen deutschen Gegenden heißt, hat nie stattgefunden:
Das Café »Exit« ist ein virtueller Ort, er besteht nur im
Radio. Nach der Beerdigung seiner Mutter sitzt der Autor dort
mit einer Handvoll steinalter Nachbarinnen bei Kaffee und
Kuchen. Sie reden über die Verstorbene, auch über den eigenen
Tod. Mehr und mehr Gäste nehmen an der Unterhaltung teil – die
russlanddeutsche Studentin und die Verkäuferin aus Mecklenburg,
der Berliner Kabarettist, der Jenseitsforscher, der berühmte Dirigent,
der unerschütterliche Kommunist, die Bestatterin, der katholische
Priester, der jüdische Schriftsteller, ein alt gewordener
Hippie, Gläubige und Atheisten. Stimmen auf einer Reise quer durch
Deutschland, aufgenommen und zum Dialog über letzte Dinge
montiert. Die Freude, noch auf der Welt zu sein, verwandelt die
nachdenkliche Runde mehr und mehr in eine ausgelassene Party,
einen wahren »Tröster« angesichts der unabweisbaren Endlichkeit
aller Kreatur.
Helmut Kopetzky
1940 in Nordmähren (jetzt Tschechische Republik)
geboren, journalistische Ausbildung und Studium.
Zeitungsreporter und Redakteur der Feature-Abteilung
des SFB Berlin. Arbeitet heute als freiberuflicher
Autor und Regisseur. Mehrere Arbeiten in der Reihe
»Das kleine Fernsehspiel«, produzierte über 100
lange Radio-Feature, Schwerpunkte: Gesellschaftliches
Leben in der Bundesrepublik, Sowjetunion / Russland, Südamerika.
Mittwoch, 4. Juni 2008
Glamour
Eine Reise auf der Suche nach russischen Perspektiven
Julia Solovieva
Glamour. Ein Wort, das bis vor kurzem nicht im russischen
Wörterbuch zu finden war. Heute eines der bekanntesten, ein
Begriff, der den neuen russischen Lebensstil beschreibt. Wir finden
ihn an der Rubljowo-Uspenskoje-Chaussee. Dort residierten
Breschnew und Jelzin, heute wohnt dort Russlands Präsident Putin.
Auch die Milliardäre des Landes leben in den Villen an der Rubljowka.
Unsere Reise beginnt an der Gourmet-Ecke der Rubljowka:
Wer speist hier, wer lebt eine Villa weiter und wie lebt man hier?
Ein Star-Koch, eine Kosmetikerin, eine Szene-Autorin, ein Boulevard-Journalist
erzählen, während Vertreter des investigativen Journalismus
– wie Anna Politkowskaja oder Anatoli Woronin – an ihren
Berichten über die harte Wirklichkeit zugrunde gehen. Ist das
Engagement für Menschenrechte in Putins Reich doch zu gefährlich?
Die Reise endet nicht auf der Rubljowka, sondern geht weiter –
auf der Suche nach neuen Perspektiven.
Julia Solovieva
geboren in Kursk, aufgewachsen in
Moskau, lebt in Hamburg; reist
oft und gern in ihre Heimat und
arbeitet als Hörfunkautorin
für NDR, Deutschlandradio und
SWR; ihr Hörfunkfeature
»Glamour« wurde für den
Prix Europa 2007 nominiert.
Mittwoch, 3. September 2008
Mensch, Du Affe
Ein Verwandtenbesuch
Dorothee Schmitz-Köster und Friederike Hauffe
Menschenaffen sind Attraktionen im Zoo. Kinder und Erwachsene
stehen gebannt vor den Panzerglasscheiben, schauen den großen
Tieren ins Gesicht, legen eine Hand an die Scheibe – vielleicht
legt einmal ein Tier seine Hand dagegen. Dass Gorillas, Schimpansen,
Orang-Utans und Bonobos tatsächlich mit dem Homo sapiens auf
hohem Niveau kommunizieren, davon können der Tierpfleger, Verhaltensforscher
und Zoo-Dauerbesucher erzählen. Diese Nähe
inspiriert auch Schriftsteller, Musiker, Filmemacher. Das Feature rückt
die Beziehung zwischen Mensch und Menschenaffen in den Mittelpunkt,
erzählt von der Begegnung mit den Tieren: mit Affen- und
Menschenstimmen, mit Schnipseln aus Literatur, Film, Fernsehen
und Musik.
Dr. Dorothee Schmitz-Köster
lebt in Bremen und arbeitet seit 22 Jahren als Hörfunk-Journalistin
und Buchautorin. Für das Feature »Kind L 364. Szenen einer
Lebensborn-Biografie« erhielt sie 2007 den »Feature-Preis bremer
hörkino«. Das Buch zum Feature erschien bei Rowohlt Berlin. Sie
hat unter anderem veröffentlicht: »Liebe Mutter, hier ist es wunderschön.
Als deutscher Soldat in Norwegen« und »Deutsche Mutter,
bist du bereit. Alltag im Lebensborn«. Sie ist Mitglied des Bremer
Medienbüros.
Dr. Friederike Hauffe
lebt in Berlin, studierte Kunstgeschichte und Geschichte und arbeitet
freiberuflich als Kuratorin, Autorin, Dozentin. Am Weiter bildungszentrum
der Freien Universität Berlin lehrt sie Kunstgeschichte und
Kunstmarketing. Und sie hat eine ganz besondere Beziehung zu
Menschenaffen.
Mittwoch, 1. Oktober 2008
Die konkreten Schrecken des Krieges
Die Bundeswehr und der Tod
Udo Zindel
Die Bundeswehr ist nach dem Fall der Mauer sehr schnell von einer
Verteidigungsarmee zu einer »Armee im Einsatz« geworden.
Tausende Soldaten und Soldatinnen sind derzeit in Krisenregionen
stationiert, vom Kosovo bis Afghanistan. Dennoch stieß der ehemalige
Verteidigungsminister Peter Struck auf politisches Unverständnis,
als er zur Sprache brachte »… dass Soldaten bei diesem
Einsatz in ihrem Leben gefährdet sind.« In der leidvollen deutschen
Geschichte wurden Millionen junger Männer ohne jede Vor bereitung
auf Verwundung, Sterben und Tod in zwei Weltkriege
geschickt. Wer nicht wollte oder nicht mehr konnte, um den kümmerte
sich die Militärpsychiatrie. Sie sollte »Simulanten« und
»Willensschwache« wieder fronttauglich machen – mit Methoden,
die heute als Folter gelten. Wie werden Soldaten der Bundeswehr
heute darauf vorbereitet, dass sie verwunden oder töten – oder
selbst verwundet oder getötet werden könnten? Wie verkraften sie
es, dass Todesgefahr zu ihrem Alltag gehört?
Udo Zindel
freier Redakteur beim Südwest rundfunk und seit 20 Jahren Feature-Autor.
1999 wurde er mit dem 1. Radiopreis der RIAS-Berlin-Kommission,
2007 mit dem Robert-Geisendörfer-Preis ausgezeichnet. Er ist
Mitherausgeber eines Feature-Lehrbuchs und leitet Hörfunk-Seminare,
unter anderem an der Universität Tübingen.
Mittwoch, 5. November 2008
Das süchtige Gehirn
Leben mit der Ersatzdroge Methadon
Eva Schindele
Seit 15 Jahren dürfen Ärzte in Deutschland Heroinabhängigen
die Ersatzdroge Methadon verschreiben – zum Ausstieg, um sie in
ein drogenfreies Leben zu führen. Viele Abhängige konnten sich
zwar körperlich und sozial stabilisieren, doch nur wenigen gelingt
die völlige Abstinenz. Sind sie also weniger willensstark als andere
Menschen? Nein, sagen die Hirnforscher: Süchtige sind nicht
labiler. Vielmehr »kidnappt« die Droge das Gehirn und das verlangt
immer weiter nach Nachschub. Wird der verwehrt, bäumt sich
der Körper auf und der Mensch gerät in einen schweren Entzug.
Das Feature erzählt Geschichten von Abhängigen, die mit Methadon
oder Heroin behandelt werden und von denjenigen, die es
schafften, ganz von der Droge loszukommen.
Dr. Eva Schindele
lebt in Bremen, schreibt Radiofeature, arbeitet als Wissenschaftsjournalistin
für Hörfunk und Printmedien. Bekannt geworden
sind ihre Sachbücher »Pfusch an der Frau« und »Schwangerschaft
– zwischen guter Hoffnung und medizinischem Risiko.« Erhielt
zwei Mal den »Hörfunk preis der deutschen Wohlfahrtsverbände
« sowie den »Juliane-Bartel-Medienpreis«. Sie ist
Mitgründerin des Bremer Medienbüros.
Mittwoch, 3. Dezember 2008
Miss-Geschicke
Der Tanz um das goldene Kalb »Schönheit«
Mechthild Müser
Eine Wahl zur Miss Germany ist keine einfache Sache. Zwar gibt
es nur eine Gewinnerin, aber anders als im Märchen, wo die Allerschönste
selbst in den armseligsten Kleidern erkannt wird, bereiten
die Kandidatinnen ihren kurzen Auftritt vor der Jury genau vor.
Wie Königstöchter oder – modern gesprochen – wie VIPs sollen sie
aussehen und sich benehmen. Wer schön sein will muss leiden. Die
leidende Schönheit ist allerdings nicht gefragt. Erst wenn Lächeln,
Proportionen, Frisur, Gang und Rede ein gut gelauntes Gesamtbild
ergeben, lässt sich als Miss Germany Geld verdienen. Manchmal
auch viel Geld. Wie inszeniere ich mich am Besten? Wie verwandele
ich mich in eine VIP, wenn ich eigentlich als Erzieherin arbeite?
Wie tief sitzt der Neid-Stachel angesichts der Konkurrentinnen?
Haben wirklich alle die gleiche Chance, wie die Veranstalter behaupten?
Die Autorin hat im ägyptischen El Gouna einen Blick hinter
die Kulissen des schönen Scheins geworfen und dem pubertären
Kreisen um das eigene Aussehen erstaunt zugehört: Impressionen
aus einem Trainings-Camp vor der Miss-Germany-Wahl.
Mechthild Müser
seit 25 Jahren Hörfunkjournalistin der
ARD mit kleinen Abstechern zu Print und
Fernsehen, freie Redakteurin im Nordwestradio,
Soziologin mit Schwerpunkt
Entwicklungspolitik, zahlreiche Reisen
zu Lande und zu Wasser; Buchveröffentlichung:
»FrauenWirtschaft –
Juchitán, Mexikos Stadt der
Frauen«, Hörfunkpreis der deutschen
Wohlfahrtsverbände, Journalistenpreis »Packende Wirtschaft«.