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Anne-Katrin Wehrmann

Di, 14.02.2023

Vater hören

– Ein Feature über eine ganz persönliche Erinnerungsreise exklusiv beim Bremer Hörkino

Die Stimme des verstorbenen Vaters auf dem Anrufbeantworter. Welche Gefühle, welche Erinnerungen weckt sie? Und wie reagieren die Mutter und Geschwister, wenn daraus ein Feature entsteht? Die Journalistin Anne-Katrin Wehrmann ist auf eine sehr persönliche Erinnerungsreise gegangen und war „Bei Ilse und Willi aufm Land“. Wir sprechen mit Anne-Katrin über Trauer und Familie und über die Hürde, einen Sender zu finden, der das Stück produziert.

Wir freuen uns, dass wir das Feature hier präsentieren können.

Du bist versierte Printjournalistin. Ist das Stück Dein erstes Radio-Feature?
In dieser Länge ja. Ich habe schon ein paar Stücke gemacht, die zwischen 20 und 30 Minuten lang sind, aber mein Ziel war immer ein Stunden-Feature. Insofern ist dies eine Premiere.

Wieso hast Du Dich im Stück über Deine Familie für Audio entschieden?
Ich mag die Abwechslung. Audio ist ein völlig anderes Arbeiten – mit der ganzen Technik, das macht mir einfach Spaß. Und vor allem: Es ist eine andere Art, Geschichten zu erzählen. Unmittelbarer, direkter. Obwohl ein Mikrofon zwischen uns steht, habe ich den Eindruck, dass ich näher an die Menschen herankomme. Die Atmosphäre, in der die Aufnahmen stattfinden, erzeugt später beim Hören eine intensivere Wahrnehmung der jeweiligen Stimmung. Damit lassen sich mehr Dimensionen vermitteln, das finde ich spannend.

Die Stimme des verstorbenen Vaters zu hören, ist vermutlich nicht immer leicht. Gab es Momente, an denen Du aufhören wolltest?
Nein, im Gegenteil. Die einzige Hürde war ganz am Anfang. Nach dem Tod meines Vaters habe ich mich ein Jahr lang nicht getraut, mir seine Sprüche auf meinem Anrufbeantworter anzuhören. Als ich eines nachts nicht schlafen konnte, hatte ich plötzlich den Impuls: jetzt. In dem Moment war es hart, zum ersten Mal wieder seine Stimme zu hören. Aber im selben Moment ist auch direkt die Idee für das Feature entstanden.

Ich war überrascht, dass meine Mutter und meine Brüder sofort bereit waren, mitzumachen. Wir sind dann zusammen tief in die Familiengeschichte eingetaucht, und ich habe viele Dinge erfahren, die ich vorher nicht wusste. Besonders beeindruckend war es, die Briefe zu lesen, die sich meine Eltern in den ersten Monaten nach ihrem Kennenlernen geschrieben haben. Leicht war das alles nicht immer, das stimmt. Ich würde sagen: Es war sehr bewegend, aber im absolut positiven Sinn.

Was hat das Produzieren des Features bei Dir bewirkt?
Der Tod meines Vaters hat bei mir einen Prozess in Gang gesetzt, der sich schwer beschreiben lässt. Ich habe angefangen mich zu fragen: Was in meinem Leben ist wirklich meins und was habe ich von ihm übernommen? Was davon ist gut für mich und was vielleicht eher hinderlich? Durch das Feature bin ich den Antworten noch einmal nähergekommen. Die Arbeit daran hat mich gezwungen, dranzubleiben und nicht zwischendurch auszuweichen. Insofern war das tatsächlich auch ein nicht unwesentlicher Bestandteil meiner Auseinandersetzung und Verarbeitung.

Wie haben Deine Mutter und Dein Geschwister darauf reagiert?
Als wir das Feature das erste Mal zusammen gehört haben, hat es keine fünf Sekunden gedauert, bis alle geweint haben. Das hatte ich völlig unterschätzt. Ich hatte schlicht vergessen, wie heftig ich selbst beim ersten Mal auf die Stimme meines Vaters reagiert hatte. Es war eine enorme Emotion in der Runde – danach waren wir alle so erschöpft, dass wir erst einmal schlafen mussten. Meine Mutter und meine Brüder sind froh, dass es diese gemeinsame Erinnerung in dieser Form nun gibt. Besonders gefreut hat mich die Rückmeldung meiner Mutter am nächsten Tag, als sie von sich aus sagte: „Ich finde das wahnsinnig wertvoll.“

Du hast das Thema öffentlich-rechtlichen Sendern angeboten. Wieso hat bisher keiner angebissen? Schließlich ist das für viele, die ihre Eltern verlieren, eine wichtige Auseinandersetzung.
Tatsächlich haben sich bisher nur zwei Redaktionen bei mir zurückgemeldet. Die eine argumentierte, dass mein Vater nicht wichtig genug gewesen sei, um ihm ein Radio-Feature zu widmen. Die andere hatte gerade ein ähnliches Stück von einem Kollegen eingekauft – da hatte ich einfach Pech und war zu spät. Alle anderen, die ich angeschrieben habe, haben trotz zum Teil mehrfacher Nachfrage schlicht nicht geantwortet. Ich wusste von Kolleg:innen, dass es ein zähes Geschäft ist, Kontakt zu Feature-Redaktionen herzustellen. Dass ich aber so komplett ins Leere laufen würde, hätte ich nicht erwartet. Das ist schon auch ein bisschen frustrierend.

Hier geht’s zum Hören und Download

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